Bei vermittelten IT-Projekten werden die wirtschaftlichen Risiken des tatsächlichen Zustandekommens oft vertraglich auf die Auftragnehmer abgewälzt. Wie in einem Einzelfall dennoch Schadensersatz erzielt werden konnte, erläutert Rechtsanwältin Dr. Ina Becker.
Sachverhalt
Ein IT-Berater sollte kurzfristig im Rahmen eines vermittelten Projekts bei einer Bank eingesetzt werden. Um dies vertragsgerecht an dem von der Vermittlerfirma bestimmten Ort tun zu können, mietete er eine Wohnung und lehnte Projektangebote anderer Firmen ab. Kurz vor Tätigkeitsbeginn teilte der Vermittler lediglich mit, der Einsatz des Beraters verzögere sich noch. Nachdem er längere Zeit vertröstet worden war, sagte ihm der Vermittler schließlich ohne Angabe triftiger Gründe ganz ab. Im Vertrag der Parteien sah eine Klausel vor, dass der IT-Experte keinerlei Anspruch auf eine Vergütung oder Entschädigung haben sollte, falls sich der Beginn des Projekts verzögert oder dieses aus anderen Gründen nicht durchgeführt wird.
Da die Vermittlerfirma eine außergerichtliche Einigung über den Ersatz des beim IT-Beraters entstandenen Schadens ablehnte, wurde Klage beim Landgericht Frankfurt am Main erhoben. Das Gericht wies in der Güteverhandlung darauf hin, der Kläger könne wegen seiner möglichen Weisungsgebundenheit bei der ursprünglich geplanten Durchführung des Projekts als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger angesehen werden. Es hätte eine umfangreiche Beweisaufnahme stattfinden müssen, um die vertraglich vereinbarte Tätigkeit juristisch korrekt zu klassifizieren. Ggf. hätte der Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen werden müssen, was erwartungsgemäß vor allem die beklagte Vermittlerfirma vermeiden wollte: Es hätte nicht nur gedroht, den Kläger nachversichern zu müssen, sondern auch der strafrechtliche Tatbestand des Nichtabführens von Sozialversicherungsbeiträgen im Raum gestanden. Der Kläger befand sich zum Zeitpunkt der Klageerhebung in einer Festanstellung und hatte zuvor im Kalenderjahr noch keine nennenswerten Einkünfte erzielt. Für ihn drohten insgesamt keine wesentlichen Nachteile, insbesondere nicht sozialversicherungsrechtlich oder steuerlich.
Vor diesem Hintergrund schlossen die Parteien einen gerichtlichen Vergleich. Der IT-Spezialist bekam nicht nur Schadensersatz für erlittenen Verdienstausfall, sondern auch seine vergeblichen Aufwendungen für die angemietete Wohnung ersetzt.
Zur Rechtslage
Es ist nicht ausschließlich in das Belieben einer Vermittlerfirma gestellt, ob sie den Vertragspartner für das verbindliche Bereitstellen seiner qualifizierten Dienste bei Wegfallen eines eigenen Auftrags bezahlt oder nicht. Das Risiko einer Nichtbeschäftigung und vergeblicher Aufwendungen des Auftragnehmers, die im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss entstehen, darf nach geltendem Zivilrecht nicht einseitig und in unzumutbarer Weise auf den Auftragnehmer abgewälzt werden. Ob und unter welchen Gesichtspunkten Schadens- oder Aufwendungsersatz geschuldet wird, hängt jedoch stets von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab.
Im geschilderten Fall konnte die bestehende arbeitsrechtliche Grauzone zu Gunsten des Mandanten genutzt und erheblicher Druck gegenüber der Vermittlerfirma erzeugt werden. Diese hatte eine so einseitig belastende Vertragssituation geschaffen, dass unklar war, ob der IT-Experte aufgrund des hohen Grads an persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit nicht mehr als Selbständiger angesehen werden kann.
Bei anderen Sachverhaltskonstellationen kann eine gerichtliche Auseinandersetzung mit enormen Risiken verbunden sein. Es ist daher jedem IT-Freiberufler dringend zu empfehlen, vertragliche Regelungen prophylaktisch vor Vertragsschluss und Tätigkeitsbeginn durch einen Rechtsexperten überprüfen und evtl. abändern zu lassen. Sollte es bereits zu spät und ein beauftragtes Projekt ersatzlos weggefallen sein, sollten mögliche Schadensersatzansprüche anwaltlich geprüft werden.