Der Bundesgerichtshof verhandelt am 27.09.2011 letztinstanzlich über zwei Urteile des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 23.04.2010 (Az: 13 U 117/09 und 13 U 118/09). Das höchste bundesdeutsche Zivilgericht wird dabei insbesondere die Rechtsfrage zu klären haben, ob die Grundsätze seiner sogenannten Kick-Back-Entscheidungen auf Gewinnmargen bzw. Handelsspannen übertragbar sind.Dies beurteilen diverse Oberlandes- sowie Landgerichte bislang höchst unterschiedlich. Sofern es künftig für Banken rechtlich verpflichtend würde, über die Differenz zwischen Kosten und Erlös eines Finanzprodukts aufzuklären, hätten diese es deutlich schwerer, bestehende rechtliche Schlupflöcher in ihrer Aufklärungspflicht bei Anlageberatungen auszunutzen. Kapitalanleger können zwar seit dem Grundsatzurteil aus dem Jahr 2006 ihr Geld zurückfordern, wenn sie von den Banken nicht über deren Rückvergütungen, den sogenannten Kick-Backs, aufgeklärt wurden. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur bei einem Drei-Personen-Verhältnis, bei dem die Bank als Vermittler zwischen Kunden und Wertpapieranbieter fungiert und dabei z. B. durch Ausgabeaufschläge und Vertriebsprovisionen versteckte Gewinne einstreicht.
In zwei im April 2010 entschiedenen, ähnlich gelagerten Schadensersatzprozessen vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht ging es um die Frage, ob eine Bank ihre Kunden auch bei einem Zwei-Personen-Verhältnis über ihre Gewinnmarge aufklären muss. Zwei Anleger hatten die Hamburger Sparkasse verklagt, weil diese ihnen Lehman-Zertifikate empfohlen hatte. Das Gericht wies die Klage ab, weil es sich in diesem Fall um „ein Eigengeschäft der Bank“ handelte. Somit könne die Kick-Back-Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs für diesen Fall nicht angewendet werden. Rechtsanwältin Dr. Ina Becker, Hamburg, sieht das kritisch: „Ob die finanziellen Vorteile innerhalb eines Zwei- oder Dreipersonenverhältnisses entstehen, kann nicht maßgeblich sein“. Durch beliebige Gestaltung und Vereinbarungen mit den Emittenten könne eine Bank die Kick-Back-Auskunftspflicht umgehen. In der Wertpapiergeschäftspraxis erstellt sie eine Leistungsbeschreibung, in der u. a. Produktstruktur, Nominalpreis und das geplante Absatzvolumen genannt sind. Sie verhandelt mit Emittenten, entwickelt entsprechend passende Produkte und bietet diese zu einem bestimmten Preis an. Aufgrund des bestehenden Verhandlungsspielraums kann die Bank beim Eigengeschäft ihre Gewinne über die Marge steuern, was für den Bankkunden nicht transparent ist.
Wie der Bundesgerichtshof bereits mit Urteil vom 22.03.2011 (Az. XI ZR 33/10) feststellte, obliegt einer Bank bei sog. Swapgeschäften eine Aufklärungspflicht hinsichtlich des anfänglichen negativen Marktwertes des Produkts. Dieser sei Ausdruck eines schwerwiegenden Interessenkonflikts. Bei einem Swapgeschäft handelt es sich jedoch wie bei einem Festpreisgeschäft um ein Zweipersonenverhältnis. Der Marktwert ist letztlich eine geheime Marge, die sich die Bank einstrukturiert, so dass die Situation also durchaus vergleichbar sei, meint Rechtsanwältin Dr. Ina Becker. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich hinsichtlich der Frage, wie eine Bank ihre Gewinnmarge offen legen sollte. Da die Handelsspannen der Bank teils volumenabhängig berechnet werden und sich wegen verschiedener Provisionssysteme und Vertriebswege nur schwer vergleichen lassen, ist die Angabe eines konkreten Betrags oder einen Prozentsatzes wenig aussagekräftig. „Zumindest eine ungefähre Größenordnung sollte im Interesse einer anlegergerechten Beratung aber von den Banken gefordert werden“, so Becker.
Es gibt aber auch Alternativen. „Bei einer Honorarberatung würde eine Bank ihrem Kunden vergütungspflichtig Finanzprodukte empfehlen und auf Gewinne verzichten, die für den Kunden nicht transparent sind“, so die auf Bankrecht spezialisierte Rechtsanwältin Dr. Becker aus Hamburg. In Ländern wie den Niederlanden, Großbritannien und den USA habe sich diese Form der Beratung bereits durchgesetzt. In Deutschland fehlt es noch an der Bereitschaft in der Bevölkerung, so dass es aus Gründen der Akzeptanz erstrebenswert wäre, den Tatbestand einer rechtlichen Regelung auf EU-Ebene zuzuführen. „Bislang gibt es nur einen Flickenteppich an gesetzlichen Vorschriften“, sagt Becker.