Beim Bundesverfassungsgericht sind mehrere Verfahren anhängig, die sich mit der Verfassungsmäßigkeit der steuerlichen Zinssätze befassen.
Es geht zum einen um die Frage, ob § 6a Abs. 3 S. 3 EStG in der im Streitjahr 2015 geltenden Fassung insoweit mit dem in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist, als zur Ermittlung der Pensionsrückstellung ein Rechnungszinsfuß von 6% anzusetzen ist (Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Köln vom 12.10.2017, Az. 10 K 977/17; beim BVerfG lautet das Aktenzeichen des Normenkontrollverfahrens 2 BvL 22/17.)
Siehe hierzu auch: » Bundestagsstudie Niedrigzinsphase steigert Pensionslasten sprunghaft – Insolvenz-Gefahr für Unternehmen
Zum anderen steht der seit 50 Jahren unveränderte Zinssatz nach § 238 AO für Verzinsungszeiträume nach dem 31.12.2009 bzw. nach dem 31.12.2011 auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand (BVerfG 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17). Denn mit 0,5% im Monat und 6% im Jahr liegt der nicht mehr marktgerechte Zinssatz der Abgabenordnung deutlich über dem tatsächlichen Zinsniveau.
Vor diesem Hintergrund erhöhen die Finanzgerichte den Druck auf den Gesetzgeber. Der Bundesfinanzhof hatte mit Beschlüssen vom 25.04.2018, Az. IX B 21/18, und vom 03.09.2018 „schwerwiegende verfassungsrechtliche Zweifel“ an der Zinshöhe nach § 238 Abs. 1 AO geäußert und, bezogen auf § 233a AO, Aussetzung der Vollziehung gemäß § 361 AO bewilligt. Die gravierenden Zweifel erstreckt das Finanzgericht Hamburg (Beschluss vom 31.01.2019, Az. 2 V 112/18) nunmehr auch auf die Verfassungsmäßigkeit des Abzinsungssatzes in Höhe von 5,5% gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG. Die Hüter der Verfassung haben Ende Februar 2019 verkündet, noch in diesem Jahr über die seit Jahren in der Finanzverwaltung bekannte Problematik entscheiden zu wollen.
„Bislang hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber steuerrechtlich stets einen weiten Ermessensspielraum zugebilligt. Ob dies angesichts der lang anhaltenden, strukturellen Niedrigzinsphase bezüglich der überholten Finanzamtszinssätze weiterhin gelten kann, erscheint zweifelhaft“, meint die Hamburger Bankrechtsexpertin Dr. Becker. Jedenfalls wird mit Spannung erwartet, ob der Gesetzgeber nun zum Handeln gezwungen wird.