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Finanzprodukte im Multi-Level-Marketing – Vorsicht vor Haftungsfallen und strafrechtlichen Konsequenzen

Im ungeregelten, sogenannten Grauen Kapitalmarkt erscheinen immer wieder neue Firmen mit Sitz im Ausland, die Finanzanlagen mit ungewöhnlich hohen Renditeversprechen sowie Hochglanzprospekten anbieten.

Im Geschäftsverkehr werden die Finanzprodukte häufig über einen unseriösen Strukturvertrieb als Unterform des Direktvertriebs für die Firma empfohlen oder verkauft. Hinter vielen der nur scheinbar unverfänglichen Netzwerk-Marketing-Systeme stecken tatsächlich illegale, gemäß Nr. 14 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerbs (UWG) geschäftlich unzulässige Schneeball- oder Pyramidensysteme. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass den angeworbenen Vertriebspersonen in unrealistischer Weise ein schneller Erfolg, Gewinne und Reichtum versprochen werden.

Im „Multi-Level-Marketing“ werden zumeist nur die Drahtzieher in der Pyramidenspitze, nicht jedoch die Vertriebspersonen in den unteren Stufen der Pyramide reich. Mangels vorheriger Aufklärung wissen viele der vom Netzwerk geworbenen Vertriebskräfte nicht, dass sie mit ihrer Tätigkeit möglicherweise gegen zahlreiche gesetzliche Genehmigungspflichten verstoßen, so z. B. § 32 des Kreditwesengesetzes (KWG) oder § 34 f der Gewerbeordnung (GewO). Im schlimmsten Szenario werden die Vertriebspersonen sogar zu illegalen Aktionen angehalten, machen sich z. B. potentiell einer Geldwäsche in einem schweren Fall strafbar.

Je nach Einzelfall kann eine persönliche Haftung der Vertriebskraft für Schäden eintreten, die ohne Bestehen einer Berufshaftpflichtversicherung oder eines Haftungsdaches ruinös ausfallen kann. Denn viele der zu vertreibenden „Assets“ wie geschlossene Fonds, „Anlagekoffer“, physisches Gold oder Bitcoins sind entweder schlicht nicht werthaltig, viel zu verlustträchtig oder realiter nicht einmal vorhanden.

Unseriöse Vertriebssysteme weisen spezifische Charakteristika auf. Eine Vertriebsperson, die als „Vertriebsleiter“ oder „Führungskraft“ geworben wird, muss sich in vielen Fällen schnell vertraglich unter anderem zu einer strikten Geheimhaltung verpflichten, teure „Schulungen“ oder Infopakete bezahlen, in eine Geschäftsausstattung samt Lizenz investieren oder in einer Einarbeitungsphase sogar unbezahlt arbeiten. Da das System auf progressiver Kundenwerbung basiert, wird der Vertriebsperson nahegelegt, den privaten Freundes- und Familienkreis „auszubeuten“, indem die dubiosen Finanzprodukte gezielt an diesen empfohlen werden.

Häufig dauert es viel zu lang, bevor die Aufsichtsbehörde (BaFin) Firmen wie der Atlantic Global Asset Management S.A. (AGAM), der QW Lianora Swiss Consulting SA oder der Questra World Global S.L. das unerlaubte Geschäft endlich untersagt.

Die Kanzlei Dr. Becker berät und vertritt mit langjähriger Praxiserfahrung die zivil- und strafrechtlichen Interessen geschädigter Personen, die den Verdacht haben, an ein unseriöses Vertriebssystem geraten zu sein.